ADTKD -
Forschung

FORSCHUNG: WELCHE THERAPIEANSÄTZE GIBT ES?

Aktuell gibt es (noch) keine gezielte Therapie für ADTKD. Ein vielversprechender Ansatz soll jedoch in absehbarer Zeit in einer klinischen Studie geprüft werden. 

LANGFRISTIGE BEOBACHTUNGSSTUDIE: JEDER PATIENT UND JEDE PATIENTIN ZÄHLT!


Da die ADTKD sehr selten ist, basiert das Wissen über die Erkrankung weltweit auf einer überschaubaren Anzahl von Familien. Umso wichtiger ist es, diese Familien systematisch zu erfassen und wissenschaftlich zu begleiten. Sogenannte Register-Studien dienen dazu, die Daten der PatientInnen zu sammeln und den Verlauf ihrer Erkrankung über einen langen Zeitraum zu beobachten. Diese Daten sind essenziell, um die Erkrankung wissenschaftliche besser zu verstehen. Prof. Anthony Bleyer von der Wake Forest University in Winston-Salem (USA) hat über viele Jahre hinweg ein solches PatientInnen-Register aufgebaut und große Verdienste in der Erfassung und Charakterisierung der Erkrankung erworben.


Auch in Europa wird aktuell ein ADTKD-Register aufgebaut. Die Koordination liegt bei der Charité Universitätsmedizin Berlin.

WIE KANN ICH AN DER REGISTERSTUDIE TEILNEHMEN?

Auch deutsche ADTKD-PatientInnen können nach entsprechender Aufklärung und Einwilligung in das gemeinsame, internationale Register aufgenommen werden. Die Teilnahme ist freiwillig und die Daten werden soweit anonymisiert, dass sich die ursprüngliche Person nicht mehr zurückverfolgen lässt. Jeder ADTKD-Patient und jede Patientin kann die Forschung und damit auch die Entwicklung von Therapien auf diese Weise unterstützen. Wenn Sie Interesse daran haben, können Sie selbst oder Ihr Arzt/Ihre Ärztin gern eine E-Mail an die Klinik in Erlangen senden: ADTKD.M4[at]uk-erlangen.de

AUF DEM WEG ZU EINER SPEZIFISCHEN THERAPIE


Die molekularen Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig verstanden. Bei den allermeisten Formen der ADTKD geht man davon aus, dass es durch die Genveränderung zu einer übermäßigen Ablagerung veränderter Proteine kommt („toxische Proteinopathie“), die zu einer Schädigung der Tubuluszellen führt. Es handelt sich um eine sogenannte „Gain-of-Function-Mutation“, das heißt, das Gen erwirbt eine (schlechte) Funktion, die es vorher nicht hatte. Ein therapeutischer Ansatz könnte darin bestehen, einen Weg zu finden, um diese Proteine in den Zellen wieder abzubauen. 

FORSCHUNG BEI ADTKD-MUC1

Bei der ADTKD-MUC1 führt die Mutation des MUC1-Gens dazu, dass ein völlig neuartiges Protein gebildet wird, das sich im Zellplasma der Tubuluszellen ablagert. Die Forscher in Erlangen konnten ebenso wie andere Wissenschaftler in Geweben und Zellen von betroffenen Patienten nachweisen, dass dieser Prozess tatsächlich so stattfindet. 


Die Forschergruppe um Dr. Anna Greka am Broad Institut in Boston (USA) hat herausgefunden, dass das veränderte, falsch gefaltete Protein Mucin 1 in bestimmten Strukturen (Vesikel) innerhalb der Zellen nicht mehr abtransportiert wird, sondern „stecken bleibt“. Dies führt zu einer Schädigung in den Zellen, die die Erkrankung verursacht. Gleichzeitig wurde nach Substanzen gesucht, die potenziell in der Lage sein könnten, in diese Prozesse einzugreifen. Mit der Substanz BRD4780 wurde ein Wirkstoff gefunden, der das veränderte Mucin 1 weitgehend verschwinden lässt. Dies war zumindest in Zellkulturmodellen und in einem Maus-Modell so. Daher besteht nun die Hoffnung, dass sich eine nochmals verbesserte Variante dieses Wirkstoffs in Tablettenform als medikamentöse Behandlung eignen könnte. Interessanterweise ist dieser Effekt nicht spezifisch für MUC1, sondern könnte auch bei anderen Unterformen der ADTKD, wie z.B. ADTKD-UMOD, nützlich sein. Es ist geplant, die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Substanz im Rahmen einer klinischen Studie zu prüfen. 


Die Arbeitsgruppe in Erlangen hat Zellkulturmodelle entwickelt, die sich aus dem Urin von ADTKD-PatientInnen gewinnen lassen. In diesen Zellen kann die Krankheitsentstehung genauer untersucht werden. Die Modelle sind sehr hilfreich, weil damit auch analysiert werden kann, wie sich mögliche therapeutische Ansätze auswirken. Darüber hinaus forschen die Wissenschaftler an weiteren, andersartigen Mechanismen, welche die Bildung des veränderten Mucin-1-Proteins möglicherweise verhindern können. Auf dieser Basis könnten ebenfalls innovative Therapien entwickelt werden

FORSCHUNG BEI ADTKD-UMOD

Bei PatientInnen mit dieser Erkrankung wurden weltweit bislang mehr als 100 unterschiedliche Mutationen des UMOD-Gens gefunden. Diese Mutationen führen dazu, dass sich ein verändertes Uromodulin-Protein in einem anderen Bereich der Zelle (endoplasmatisches Retikulum) anreichert als bei der MUC1-Erkrankung. Es handelt sich dabei um ein intrazelluläres Kanalsystem, in dem sich zahlreiche wichtige Funktionen abspielen. Das fehlgefaltete Uromodulin bleibt darin „stecken“. Die Tubuluszelle gerät dadurch unter anhaltenden Stress, kann aber die normale Zellfunktion nicht mehr wiederherstellen und stirbt ab. Dies konnte in Zellkulturen wie auch in Mausmodellen für verschiedene UMOD-Mutationen nachgewiesen werden. Diese Modelle werden auch intensiv genutzt, um Substanzen zu testen, welche die „Überreaktion“ der Zelle auf den Stress verringert, der durch das falsch gefaltete Protein erzeugt wird.

Da verstärkte Ablagerungen von Proteinen auch bei Krankheiten in ganz anderen Organsystemen ursächlich sind, ist nicht ausgeschlossen, dass Behandlungsoptionen, die jetzt bei der ADTKD untersucht werden, auch dort wirksam sind.

Fachkreise finden weitere Informationen auf der Seite des Universitätsklinikums Erlangen

NOCH NICHT ALLE UNTERFORMEN BEKANNT

Bei einigen wenigen Familien mit ADTKD wird bei der genetischen Untersuchung (noch) keine der bekannten Genveränderungen gefunden. Möglicherweise sind dafür andere Gene verantwortlich, die aber bisher noch nicht identifiziert werden konnten. Diese Fälle werden als ADTKD-NOS bezeichnet („not otherwise specified“). International vernetzte Wissenschaftler, darunter auch aus Deutschland, sind intensiv damit beschäftigt, die genetische Ursache auch in diesen Familien herauszufinden.

Literatur

Bernascone I, et al. A transgenic mouse model for uromodulin-associated kidney diseases shows specific tubulo-interstitial damage, urinary concentrating defect and renal failure. Hum Mol Genet. 2010 Aug 1;19(15):2998-3010 

Dvela-Levitt, M, et al. Small Molecule Targets TMED9 and Promotes Lysosomal Degradation to Reverse Proteinopathy. Cell. 2019 Jul 25;178(3):521-535.e23

Eckardt KU, et al. Autosomal dominant tubulointerstitial kidney disease: diagnosis, classification, and management--A KDIGO consensus report. Kidney Int. 2015 Oct;88(4):676-83 

Ekici AB, et al. Renal fibrosis is the common feature of autosomal dominant tubulointerstitial kidney diseases caused by mutations in mucin 1 or uromodulin. Kidney Int. 2014 Sep;86(3):589-99 

Knaup, KX, Wiesener, MS. Autosomal-dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankungen (ADTKD). Nephrologe 14, 112–119 (2019) 

Olinger E, et al. Clinical and genetic spectra of autosomal dominant tubulointerstitial kidney disease due to mutations in UMOD and MUC1. Kidney Int. 2020 Sep;98(3):717-731 

Žvirna M, et al. Noninvasive Immunohistochemical Diagnosis and Novel MUC1 Mutations Causing Autosomal Dominant Tubulointerstitial Kidney Disease. J Am Soc Nephrol. 2018 Sep;29(9):2418-2431 

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