Bei der ADTKD können
unterschiedliche Gene
verändert sein. Je nachdem, welches Gen betroffen ist, werden Unterformen unterschieden. Die häufigsten Gene sind:
ADTKD-UMOD und ADTKD-MUC1 sind mit einem Anteil von bis zu 70% die häufigsten Unterformen der Erkrankung. Beiden liegt ein ähnlicher Mechanismus zugrunde. Durch die kankheitsverursachende Veränderung der beiden Gene (Mutation) wird von den Nierenzellen ein leicht verändertes Protein gebildet. Da dieses nur unzureichend abgebaut wird, lagert es sich in großen Mengen in den Tubulus-Zellen ab, was zu einer Zellschädigung führt. Die Folge ist eine allmähliche Vernarbung (Fibrose) des Nierengewebes. Diese führt letztlich dazu, dass die Niere ihre Funktionen nicht mehr ausführen kann. Hierzu gehören die Regulierung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts, des Blutdrucks, des Säure- und Basenhaushalts, die Entgiftung des Körpers, die Bildung roter Blutkörperchen und die Regulierung des Knochenstoffwechsels. Betroffen sind immer beide Nieren.
Die MUC1-Erkrankung wird durch eine Mutation im MUC1-Gen verursacht. MUC1 (Mucin 1) ist ein Protein, das in vielen Körperzellen unterschiedlicher Organe gebildet wird, etwa im Magen oder in der Lunge. Jedoch führt die Mutation nur in der Niere zu Problemen. Warum das so ist, weiß man bisher nicht. Die UMOD-Erkrankung wird durch Mutationen im UMOD-Gen verursacht. Im Gegensatz dazu wird das Protein UMOD (Uromodulin) tatsächlich nur in der Niere gebildet und Mutationen manifestieren sich demzufolge bei den betroffenen PatientInnen auch nur dort als Erkrankung.
Unter allen ADTKD-Formen macht die
MUC1-Erkrankung etwa 30-40% aus, die
UMOD-Erkrankung ist vielleicht etwas häufiger. In der Regel sind mehrere Familienmitglieder betroffen, fast immer mindestens ein Elternteil und ein Kind.
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SYMPTOME: WIE MACHT SICH EINE ADTKD BEMERKBAR?
Wie der Name schon andeutet, sind bei einer ADTKD die Tubuli, also die Nierenkanälchen betroffen. Tubuli sind röhrenförmige Gebilde im Nierengewebe, die an der Regulierung des Wasser- und Elektrolythaushalts beteiligt sind. Eine ADTKD kann lange symptomlos bleiben. Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine chronische Nierenerkrankung. Erste Anzeichen können ein zu hoher Blutdruck oder auch ein erhöhter Kreatininwert im Blut sein. Dieser wird häufig zufällig im Rahmen anderer Untersuchungen entdeckt und zeigt an, dass die Nierenfunktion eingeschränkt ist. Erst im fortgeschrittenen Stadium entwickeln sich Beschwerden, die allgemein bei Nierenerkrankungen beobachtet werden. Hierzu gehören etwa:
Typisch für die ADTKD-Erkrankung ist, dass sie neben dem Nierenversagen kaum besonders charakteristische Merkmale aufweist. Bei ADTKD-UMOD kann sich eine Gicht entwickeln. So findet sich im Gegensatz zu anderen Nierenerkrankungen meist kein oder nur wenig Eiweiß im Urin. Zysten können auftreten, aber nur in geringer Anzahl und sind nicht typisch für die ADTKD. Dies erschwert die Diagnose. Im Ultraschall sind die Nieren normalgroß oder klein.
Bei einem Anstieg des Kreatininwerts im Blut wird regulär eine Urinuntersuchung durchgeführt. Diese ist bei einer ADTKD-Erkrankung häufig unauffällig, das heißt, der Urin enthält kein Blut und wenig oder kein Eiweiß. Auch der Harnsäurespiegel im Blut ist zu Beginn der Krankheit meist nicht erhöht. Da sich auch mit einer Ultraschalluntersuchung der Nieren und einer Nierenbiopsie keine spezifischen Auffälligkeiten finden lassen, bleibt die Ursache für die Abnahme der Nierenfunktion häufig unklar. Wenn aber in der Familie weitere Personen von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen sind oder waren, ist dies der wichtigste Hinweis auf eine möglicherweise vererbte Krankheit. Eine ADTKD kann dann nur mit einem speziellen genetischen Test festgestellt werden.
Weitere Informationen finden Sie im Kapitel Diagnose.
Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. Die Altersspanne ist sehr breit. Die Erkrankung kann schon mit 20, aber auch erst mit 70 Jahren mit einer zunehmenden Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) einhergehen.
PatientInnen mit einer ADTKD-MUC1
haben in der Regel eine langsam fortschreitende chronische Nierenerkrankung. Eine leichte Einschränkung der Nierenfunktion wird häufig schon in den späten Teenagerjahren/frühen Zwanzigern festgestellt. Mit zunehmendem Alter nimmt sie weiter ab. Das Alter, in dem eine Nierenersatztherapie (Dialyse oder Transplantation) erforderlich wird, ist sehr unterschiedlich: Bei manchen Menschen ist eine solche bereits im Alter von 17 Jahren erforderlich, während andere Familienmitglieder vielleicht bis zum 70. Lebensjahr ohne sie auskommen. Der Grund für diese Unterschiede ist unklar.
Derzeit gibt es keine spezifische Behandlung der Erkrankung. Wie bei anderen chronischen Nierenkrankheiten ist eine frühzeitige ärztliche Überwachung empfehlenswert. Sobald der Kreatininwert im Blut erhöht ist, sollte ein Nephrologe aufgesucht werden, um Komplikationen wie Bluthochdruck oder Blutarmut rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu veranlassen. Bestimmte Medikamente können dazu beitragen, das Fortschreiten des Nierenversagens zu verlangsamen. Hierzu gehören RAAS-Blocker, ACE-Hemmer, Sartane (Blutdrucksenkung) sowie SGTL2-Hemmer (Dapagliflozin). Im Endstadium kann nur noch eine Dialyse oder eine Nierentransplantation die fehlende Nierenfunktion ersetzen. Aufgrund des in Deutschland besonders ausgeprägten Organmangels beträgt die Wartezeit auf eine Niere derzeit zwischen 9 bis 11 Jahren, während es in anderen Ländern Europas teilweise nur 1,5 Jahre sind. Die Erkrankung überträgt sich nicht auf eine transplantierte fremde Niere.
International wird an spezifischen Therapien für ADTKD geforscht. Am weitesten sind möglicherweise Ansätze zu den Unterformen ADTKD-MUC1 und
UMOD
In Grundlagenstudien wurde eine Substanz gefunden, mit denen sich die negativen Auswirklungen der
MUC1-Mutation möglicherweise verhindern lassen. Im nächsten Schritt muss geprüft werden, ob sich die potenzielle Wirksamkeit bei ADTKD-MUC1-PatientInnen bestätigt. Dies erfolgt im Rahmen einer klinischen Studie, die 2023 starten soll. Durch die ähnlichen Mechanismen der Krankheitsentstehung sind diese Ansätze möglicherweise auch bei der ADTKD-UMOD
wirksam. In Deutschland gibt es ein Register, in dem PatientInnen mit ADTKD erfasst werden. Wenn Sie Interesse daran haben, finden Sie weitere Informationen im Kapitel Forschung.
Überprüfen Sie Ihren Stammbaum. Sofern mehrere Familienmitglieder von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen sind oder waren, besteht der Verdacht auf eine genetisch bedingte Krankheit. Es gibt jedoch viele erbliche Nierenerkrankungen. Besonders bei einem langsamen Verlauf und fehlenden Auffälligkeiten im Urin, im Ultraschall oder einer Biopsie sollte an eine ADTKD gedacht werden. Die Diagnose mittels Gentest kann nur in einem spezialisierten Zentrum gestellt werden. Darüber hinaus wird empfohlen:
Bei vielen PatientInnen mit einer chronischen Nierenerkrankung ist die Ursache unbekannt. Da die Bezeichnung ADTKD erst seit 2015 besteht und die Erkrankung zum Teil schwer zu diagnostizieren ist (v.a. die MUC1-Unterform), werden nicht selten „Ersatzdiagnosen“ gestellt oder es kommt zu Fehldiagnosen. Insbesondere für ÄrztInnen ist es daher wichtig, ähnliche Erkrankungen auszuschließen. Hierzu gehören u.a. die polyzystische Nierenerkrankungen und die Nephronophthise.
Die polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist eine Erbkrankheit, die durch das Vorhandensein von Zysten in beiden Nieren gekennzeichnet ist. Die zunehmende Anzahl und Vergrößerung dieser Zysten führt zum Verlust der normalen Nierenfunktion und zu hohem Blutdruck. Es gibt Formen der polyzystischen Nierenerkrankung bei Kindern und Erwachsenen. Zu den Symptomen gehören ein vergrößerter Bauch, Rückenschmerzen, Blut im Urin (Hämaturie), hoher Blutdruck und ggf. Gewichtsverlust. Einige Betroffene können auch Leberprobleme und eine abnorme Vergrößerung der Milz haben. Bei Familien mit dieser Erkrankung werden immer massive Zysten in den Nieren beobachtet, wodurch sie leicht von anderen Arten von Nierenerkrankungen zu unterscheiden ist. Mehr Informationen hierzu gibt es auf der Seite des Vereins für Zystennieren-PatientInnen.
Nephronophthise ist durch ein langsam fortschreitendes Nierenversagen gekennzeichnet. Die Untersuchung des Urins zeigt auch bei dieser Erkrankung kein Blut und wenig Eiweiß. Ein wesentlicher Unterschied zur ADTKD besteht darin, dass sie autosomal rezessiv vererbt wird. Dadurch können sie eine Generation überspringen, bzw. gibt es oft nur ein/e Betroffene/n. Das Nierenversagen tritt zumeist bereits im Kindesalter auf, wobei die meisten Betroffenen im Alter von 15 bis 25 Jahren dialysepflichtig werden. Außerdem treten bei der Nephronophthise häufig (aber nicht immer) weitere Symptome auf, wie etwa Blindheit und/oder andere Fehlbildungen.
Bleyer, AJ et al. Autosomal Dominant Tubulointerstitial Kidney Disease – MUC1. In: GeneReviews® [Internet]. Seattle (WA): University of Washington, Seattle; 1993–2021. 2013 Aug 15 [updated 2021 Oct 21]
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Knaup, KX., Wiesener, MS. Autosomal-dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankungen (ADTKD). Nephrologe 14, 112–119 (2019)
NIH GARD Information: Autosomal dominant tubulointerstitial kidney disease;
Abruf unter: https://rarediseases.org/gard-rare-disease/autosomal-dominant-tubulointerstitial-kidney-disease/ (Zugriff am 5.1.2022)