ERA-KONGRESS 2022: EINE POTENZIELLE THERAPIE FÜR ADTKD-MUC1

Ursachenforschung führte zur Identifizierung einer vielversprechenden Substanz 


20.5.2022 - Beim diesjährigen Kongress der Europäischen Nierengesellschaft (European Renal Association; ERA) im Mai in Paris wurden auch wissenschaftliche Beiträge zu ADTKD vorgestellt. Moran Dvela-Levitt, Israel, berichtete am Beispiel der ADTKD-MUC1, wie es der Grundlagenforschung gelungen ist, eine potenziell wirksame Substanz zu finden. Zunächst konnte anhand von Zellkulturen in Mäusen und in Organoiden (aus menschlichen Stammzellen nachgebildete Nierenkanälchen) nachgewiesen werden, dass eine Veränderung im MUC1-Gen (Mutation) dafür verantwortlich ist, dass sich in den Zellzwischenräumen der Nierenkanälchen (Tubuli) immer mehr falsch gefaltete (toxische) Proteine ablagern. Dies führt irgendwann zum

Nierenversagen.


Wie kommt es zu dieser Ablagerung? Normalerweise sind die Proteine in kleinen Bläschen (Vesikel) verpackt, in denen sie innerhalb der Zelle von einer Funktionseinheit (Organell) zur nächsten transportiert und weiterverarbeitet werden. Bei der Suche nach der Ursache für den gestörten Transport stießen die Forscher*innen auf den Frachtrezeptor TMED9.  Dieser sorgt dafür, dass das fehlgefaltete MUC1-Protein in den Vesikeln festgehalten wird und sich dadurch immer weiter anreichert. 


Wirkstoff BRD4780 korrigiert gestörten Transport

Um einen Wirkstoff zu finden, der diese Fehlsteuerung korrigieren kann, durchsuchten die Wissenschaftler*innen eine große Datenbank mit mehr als 4.000 bereits bekannten Substanzen. Dabei stießen sie auf BRD4780, einen Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung von Bluthochdruck entwickelt wurde. Man spricht von Drug Repurposing, wenn Substanzen die eigentlich für andere Krankheiten vorgesehen waren, wiederverwendet werden. Die Forscher*innen konnten zeigen, dass dieser Wirkstoff TMED9 bindet, was dazu führt, dass das „falsche“ MUC1-Protein wieder aus den Zellzwischenräumen entfernt und zu den Lysosomen gebracht wird. Diese sind als zellulärer „Mülleimer“ dafür zuständig, die Proteine zu zerkleinern und abzubauen.


Auch andere Proteinopathien könnten behandelt werden

Krankheiten wie die ADTKD-MUC1, bei denen falsch gefaltete Proteine in den Zellen eingelagert werden, heißen Proteinopathien. Auch die UMOD-Variante gehört dazu. Darüber hinaus gibt viele weitere Erkrankungen dieser Art, zum Beispiel Morbus Alzheimer, Amyotrophe Laterale Sklerose (ALS), Retinitis pigmentosa, Parkinson oder die Sichelzellenkrankheit. Daher gibt es die Hoffnung, dass auch diese eines Tages durch Wirkstoffe behandelt werden können, die TMED9 beeinflussen. Eine klinische Studie mit BRD4780 bei ADTKD-MUC1 wird für 2023 erwartet.


Quellen:


Dvela-Levitt M: New therapeutic approaches for toxic proteinopathies, the example of ADTKD-MUC1. Symposium 2.6 Inherited Cystic And Tubulointerstitial Nephropathies: New Genes, New Mechanisms, New Therapies. ERA-Conference, 20.5.2022
https://www.era-online.org/en/virtualcongress2021


Literatur:


Dvela-Levitt M, et al. A Rare Kidney Disease To Cure Them All? Towards Mechanism-Based Therapies for Proteinopathies. Trends Mol Med. 2021 Apr;27(4):394-409. 
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33341352

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