Deutschland ist nun im wahrsten Sinne des Wortes „umzingelt“ von Ländern, in denen die erweiterte Widerspruchslösung die Organspende gesetzlich regelt, und somit auch indirekt Einfluss auf die Verfügbarkeit von Spenderorganen nimmt. Vor ca. 2 Jahren hat das deutsche Parlament fraktionsübergreifend und in der Abstimmung ohne Fraktionszwang ein klares Votum gegen den Vorschlag des damaligen Gesundheitsministers J. Spahn abgegeben, auch in Deutschland die Widerspruchslösung einzuführen. Gleichwohl war nach Umfragen schon damals die Mehrheit der deutschen Bevölkerung für die Änderung des Transplantationsgesetzes: Zu viele Ängste, zu viele Bedenken, zu viel fehlgeleitete Information mag die Politikerinnen und Politiker damals zu ihrer Entscheidung bewogen haben, aber vor allem wohl die (sachlich unbegründete) Befürchtung, dass mit der Widerspruchslösung die persönliche Entscheidungsautonomie verloren gehe und man automatisch zum Organspender würde! Stattdessen wurde ein Gesetz verabschiedet, das eine Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende durch Einführung eines Registers und eine intensivierte Informationskampagne durch die Behörden und die Hausärzte herbeiführen sollte. Die erwarteten Effekte sind nach Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. März 2022 noch nicht abzusehen.
Laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) wurde zuletzt jedoch eine Reduktion der Organspendezahlen um fast 30% (Absinken der Zahl der Spender von 249 auf 176 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) beklagt, ein bundesweites Register wartet noch immer auf seine Einrichtung und die Einwohnermeldeämter wie auch die Hausärzte fühlen sich in der Bewältigung der ihnen gestellten Aufgaben überfordert. Das war nicht anders zu erwarten, denn woher sollten Behörden und niedergelassene Allgemeinärztinnen und -ärzte ohne die erforderlichen Schulungen die Fähigkeit zur kompetenten Beratung erhalten, und noch viel wichtiger, die Zeit finden, diese dann auch noch durchzuführen?
Für die parlamentarische Demokratie Deutschlands sollte das eindeutige Mehrheitsvotum der Schweizerinnen und Schweizer Aufforderung sein, trotz vieler anderer vorherrschender Probleme und Herausforderungen insbesondere in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, die Reform des Transplantationsgesetzes mit Etablierung der erweiterten Widerspruchslösung politisch erneut auf die Agenda zu setzen. Jeder durch eine nicht rechtzeitig durchgeführte Transplantation vermeidbare Todesfall ist einer zu viel! Deshalb muss auch in unserem Land wieder darüber diskutiert werden, wie wir endlich eine merkliche Verbesserung bei der Organspende herbeiführen können. Ein elementarer Schritt ist dabei sicherlich auch die Änderung des Transplantationsgesetzes! Dafür setzt sich die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie an der Seite von Patienten, Angehörigen und vieler engagierten Transplantationsmediziner aller Fachdisziplinen ein!
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